Zwischen Datenmüll und Nacht: die Seele des Menschen

Auch wenn er seine Hardware nicht mehr so lebt, hat der europäische Mensch noch immer die Software des leiblichen Menschen. Seine Ideen vom Körper, für die er, weil er sie für fortschrittlicher hält, den ‚Leib‘ wie ein veraltetes Betriebssystem aussortiert hat, entziehen Seele und Geist den Seinsgrund. Ohne diese sauber deinstallieren zu können. Und wer Updates automatisch ausführen lässt, verfügt inzwischen sogar über einen Body.

Während der Geist – aufgrund gängiger Dualismen griffig zum absoluten Gegensatz des Körpers erklärt – mit eben diesem Körper in einer partiellen Lähmung feststeckt. Aber noch immer gebiert. Führt die Seele – umherirrend zwischen all dem anderen Datenmüll – ein gespenstisches Dasein.

Eine Heimatvertriebene, die nur noch im Schutz der Nacht hervorzukommen wagt. Eine zerissene Braut, die ihr in Bedürfnisse und Gefühle zersplittertes Gesicht nicht wiedererkennt. Ihr Spiegelbild kaum noch, weder mental noch emotional, erträgt. Dem suchenden Menschen, der ihrem Gesang folgt, gibt die Unsterbliche sich nur schleierhaft zu erkennen – seit jeher.

Veröffentlicht in ATEM – Die Zeitschrift, Ausgabe 2-2021

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