Der Atem des Menschen
Der Atem des Menschen ist eine Leuchte des Herrn, sie durchglüht alle Kammern des Leibes. (Salomon 20,27)
Erfahrungen am Inneren Atem lassen solche Sätze überraschend nachvollziehbar werden, auch wenn Atemgeschehen und leibliche Empfindung selbst von allgemeinerer Natur und unabhängig vom Gottesbegriff sind.
Das “Durchglühen” könnte man als eine Folge “erhöhter Sauerstoffzufuhr” erklären – und so wird vielleicht der ganze Ausspruch zugänglicher. Im Gesamtbild ist der Leib jedoch nicht nur Ort des Durchglühtwerdens in allen Kammern – es meint nicht nur eine bessere Durchblutung der Zellen und die lebenserhaltende Sauerstoffzufuhr – sondern der Leib ist auch: Ort einer Beziehung. Der Atem, der zwischen Innen und Außen schwingt, verbindet zweifelsohne Innenwelt und Außenwelt und stiftet so eine elementare Grundform von Beziehung.
Der biblische Mensch ist über seinen Atem mit Gott existenziell verbunden. Erst der Odem Gottes, ein Hauchen, weckt das Leben in der aus Erde geschaffenen Gestalt. Eine Leuchte bringt noch Weiteres, sie bringt mit ihrem Feuer Wärme und Licht ins Dunkel und ermöglicht ein Schauen. Der Atem des Mensch als „eine Leuchte des Herrn“ setzt den Menschen in ein intimeres Verhältnis zu Gott. Geschieht doch hier alles Licht und Schauen innerhalb des schon lebendigen, eigenständigen Menschen. Bis in die Zellen hinein werden Erkenntnispotenz und Fürsorge getragen.
Bewusstseinsprozesse, die Atem- und Empfindungserlebnissen folgen, finden ihren Abschluß im Feld des aktuell bevorzugten geistigen Vokabulars. Diese Voreinstellungen bestimmen mit, wie Leiberlebnisse interpretiert und verstanden werden. Die Integration neuer Erfahrungen ins Ganze wird fruchtbar in einer neuen Stimmigkeit mit der persönlichen Natur. Die Stimmigkeit mit dem: wie ich mir selbst gegeben bin.